JA, JA und noch einmal JA!
DAS WEIHNACHTEN VON FRÜHER

Leuchtende Kinderaugen. Ein Kerzenmeer im Wohnzimmer. Duftend, wohliger Keksgeruch. Wunderbar dekorierte Räume. Weihnachtslieder im gemütlichen Wohlfühlweinhachts(t)raum. Stimmungsvolle Christkindlmärkte – äh, tschuldigung – die heißen ja jetzt Wintermärkte oder so. Kreativ verpackte Geschenke, die mit viel Liebe und Zeitaufwand ausgesucht wurden. Schneetreiben vor der Haustüre. Selbst gebastelte und befüllte Adventskalender. Liebe, Geborgenheit, Gelassenheit, Vorfreude, Stille, Ruhe, Besinnlichkeit, freudiges Miteinander. Hansi Hinterseer, der durch eine verschneite Winterlandschaft stapft. So, genug davon.
BULLSHIT! – HIER KOMMT DIE NACKTE WAHRHEIT
Seien wir uns ganze ehrlich: Die oben beschriebenen Tatsachen, die gibt es so nicht mehr. Wer von uns kann die „stillste und schönste Zeit des Jahres“ noch richtig genießen? Ja, genau: Unsere Kinder. Für die meisten Kinder ist Weihnachten ein richtig cooles Fest.

Für uns Erwachsene sieht die „Wintwonder-Weihnachts-Welt“ ganz anders aus: Stress, Hektik und scheinbar fehlendes „Time-Management“ stehen am Vorweihnachtsprogramm. Was soll ich kochen? Noch schnell Kekse backen. Ups, es ist bereits der 22. Dezember und ich habe noch nicht alle Geschenke! Christbaum dekorieren – heimlich, damit die Kinder noch an das Christkind glauben können. Angst vor nicht erfüllten, zu hohen Erwartungen. „Ausgelaugtheit“ am Hl. Abend. Streit. Enttäuschung. Die Blase vom „Weihnachten wie es früher war“ ist geplatzt. Alle sind in der Hektik des Konsumrausches und Überangebots an Waren erstickt. Vor allem auch deshalb, weil wir uns meist jederzeit kaufen, was wir oder die Kinder ohnehin brauchen. Da wird nicht mehr auf Weihnachten hingefiebert und gemunkelt, ob die neuen Skier samt Stöcken unterm Baum liegen. Skier – die kriegen die Kinder einfach so. Die brauchen sie ja. Was folgt daraus? Die Kinder wissen meist gar nicht mehr, was sie sich vom Christkind wünschen sollen. Sie haben ja schon alles.
„SINGLE BELLS“ – MEIN ABSOLUTER LIEBLINGSWEIHNACHTSFILM
Der Film „Single Bells“ ist uralt, aber genial. Er persifliert Weihnachten in seiner besten Art. Böse, fies, sarkastisch legt sich der Film mit allen vorherrschenden Klischees an. Da kommt die Land-Omama vorbei, die den Braten mit weicher Haut mag und der Schwiegertochter beim Kochen ins Handwerk pfuscht. Da kommt die Stadt-Omama, die will, dass sich alles nur um sie dreht. Da ist die gestresste Mama und Hausfrau, die jeder als Person übersieht und sie nur melken will, wie eine überreife „Mastkuh“. Da gibt es noch den Papa (ein genialer Erwin Steinhauer), der mit der ganzen Situation überfordert ist und es nicht einmal schafft seinen einzigen Weihnachtsauftrag zu erfüllen: Den Tannenbaum zu besorgen. Da sind die zwei verwöhnten Kinder, die sich um nichts kümmern und sich nur auf die Geschenke stürzen. Da ist die feine, alleinstehende Manager-Tante, die aufgrund ihrer Karriere ihr Privatleben geopfert hat, jedoch zu Weihnachten am „Schönen“ der Familie der Schwester mitschnorren will.
Überzeichnet? Ja, freilich! Aber vieles ist wahr, auch wenn es keiner zugeben und wahrhaben will.
ANGST VOR DREI TAGEN IM JAHR
Seit ich Mama bin, habe ich Angst vor drei bestimmten Tagen im Jahr: Meinem Geburtstag, Muttertag und WEIHNACHTEN. Warum? Weil man mit dem Job als Mama langsam auf sich selbst vergisst. Weil man als „Familienmanagerin“ immer alles drechselt, organisiert und ausklügelt. Funktionieren tut das solange, solange die Familienmanagerin ihre Erwartungen sukzessive zurückschraubt. Solange sie als „Mastkuh“ lebt, die jederzeit bereit ist, gemolken zu werden. Solange, bis sie auf den Tisch haut und einmal laut „STOP“ schreit. Das passiert meist an irgendeinem „Fest- bzw. Freudentag“ – da läuft das sprichwörtliche Fass über.
„JAMMERN AUF HOHEM NIVEAU“ = JAMMERTHON (JAMMERN + MARATHON)
Kurzzeitig fühlte ich mich gerade so richtig „arm“. Auch wieder: Bullshit!
Während wir dem Luxus frönen, uns dem Kaufrausch hingeben und uns in „hausgemachten“ Problemen wälzen gibt es Leute, die kein Geld haben. Die ihre eigenen Kinder nicht beschenken können. Kinder, die noch an das Christkind glauben und nicht einmal verstehen können, warum „das Christkind nicht kommt“!
Es gibt auch Leute, die an Weihnachten alleine und einsam sind. Weil sie geschieden sind. Weil sie alt und verlassen sind. Weil sie keine Familie haben.
Diese Menschen beschweren sich nicht. Jammern tun nur die, die es sich leisten können.
Wer von euch kennt die „EDEKA“ Werbung vom letzten Jahr? Auch diese kreuzt heuer wieder unser „Facebook“-Wege. Und ja: Die Werbung macht nachdenklich und lässt meine Augen regelmäßig mit Wasser füllen.
(Für die, die sie nicht kennen und das Video nicht ansehen wollen, weil sie keine Zeit dafür haben: Ein alter Mann, einsam und verlassen, inszeniert seinen eigenen Tod, nur um seine Töchter, Söhne und Enkelkinder dazu zu bringen, ihn wenigstens an Weihnachten zu besuchen. Und ja: Er ist erfolgreich. Sie alle kommen zu ihm. Aber nur deshalb, weil sie in der Annahme sind, er sei tot.)
PROBLEMLÖSUNG
Ich kann etwas tun, indem ich mich bei Aktionen wie „Weihnachten im Schuhkarton“ oder „Licht ins Dunkel“ beteilige. Ich kann jemanden an Weihnachten einladen, der einsam ist. „Die Welt retten“ – das ist schier unmöglich. Das, was ich wirklich selbst in der Hand habe, kann ich jedoch seht gut steuern: Mittlerweile habe ich gelernt, neben meinen Jobs als Mama, Hausfrau, Ehefrau, Putzfrau, Nachhilfelehrerin, Krankenschwester, etc. auch als Mensch da zu sein. Als Mensch, der auch Bedürfnisse, Erwartungen, Wünsche und Beschwerden hat. Seit ich meine Wünsche, Beschwerden, Erwartungen, Bedürfnisse artikuliere freue ich mich auch auf meine drei „Horror-Tage“ wieder. Wenn auch nur gemäßigt. Vor allem aber auch deshalb, weil ich meine Erwartungen zurückgeschraubt habe und mit weniger zufrieden bin. Und voilà: Das funktioniert echt!
Und zum Schluss sag ich noch frei nach Karl Valentin:
„Und wenn die stade Zeit vorüber ist, dann wird’s endlich wieder ruhiger!“

Danke, Horst! Freut mich immer, wenn es Leute gibt, die auch so denken wie ich! Guter Text von dir von 1986!:-))
Servus Andrea!
Hassen ist ein sehr starkes Wort, aber ich mag Weihnachten auch nicht. Schon lange nicht mehr. Da fällt mir ein Text von 1986 von mir ein – da war ich gerade einmal 20 und ich mochte Weihnachten schon damals nicht mehr.
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Weihnachtsimpressionen
Jetzt geht sie wieder los … diese Herumschenkerei.
Jetzt hat sie wieder ihren programmierten Höhepunkt …
diese nervenaufreibende, künstliche und
überschwängliche Freundlichkeit.
Und Jung und Alt holen die polierte Weihnachtsmaske
aufs Neue aus dem Keller – denn schließlich
will man auch überzeugend wirken!
Frohe Weihnacht
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Die Weihnachtsgeschichte mit dem alten Mann, der seinen Tod vortäuscht, geht ans Herz. Es ist eben schon irgendwie traurig, dass wir einen fixen Anlass im Jahr brauchen, um uns anderen Menschen zu widmen.
Deinen Text finde ich spitze! Von „Weihnachtsbashing“ über Single Bells (genialer Film und gar nicht einmal soooo überzeichnet) bis zu nachdenklichen Passagen…
Have fun
Horst
Lieber Mike, danke! Freut mich, von dir zu hören/ lesen und dass dir der Text gefällt! Und: Natürlich auch dir und deiner family FROHE WEIHNACHTEN! 😉 lg, Andrea
Toller Text Andrea!, trotz dem -Frohe Weihnachten!LG. Mike
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Oje, dann gehen wir da nicht konform. Aber: Gut, dass es auch Menschen gibt, die sich auf Weihnachten freuen! Dann habe ich deinen Beitrag wohl falsch interpretiert. Ich freue mich jedenfalls, wenn sich bei dem Thema ein paar Diskussionen ergeben…….
Ich meine es gar nicht sarkastisch, ich bin absoluter weihnachtsfreund und betrachte den zur Schau gestellten Hass auf weihnachten jedes Jahr mit Befremden und halte ihn auch eher für krampfhaft. Wer Weihnachten nicht mag, der lässt es eben an sich vorbei Rauschen. Die Ablehnung dann aber auch noch jedem auf die Nase zu binden und zu zelebrieren, finde ich dann doch eher entlarvend.